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Aufforsten statt CO₂ vergraben

Aufforsten - Wald mit vielen Bäumen

Aufforstung ist viel günstiger als CO2-Speichertechnologien und kann nebenbei zum Beispiel Abwasser reinigen. CCS erfasst nicht einmal alle Emissionen und führt auch noch dazu, dass mehr fossile Brennstoffe eingesetzt werden.

In letzter Zeit nimmt die Debatte über CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) wieder Fahrt auf. Gemeint ist die Technik, die CO2 aus den Rauchgasen etwa von Kohlekraftwerken abscheiden und in alten Bergwerken oder unter dem Meer „sicher“ lagern soll.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die schon vor 20 Jahren entwickelten, aber trotz milliardenschwerer Subventionen nie verwirklichten CCS-Ideen der fossilen Wirtschaft kürzlich wieder aufgegriffen.

Wie schon oft in der Vergangenheit täuscht die Regierungschefin mit ihrem neuen Versprechen von der Klimaneutralität bis 2050 die Öffentlichkeit. Bei ihrem angeblich stärkeren Klimaschutz geht es mitnichten um ein Ende der Nutzung der fossilen Energien.

Vielmehr sollen zahlreiche fossile Anlagen wie zum Beispiel Erdgaskraftwerke auch über das Jahr 2050 hinaus weiterlaufen. Merkel will den Bestandsschutz für die Geschäftsmodelle der fossilen Wirtschaft verlängern.

Dabei können mit CCS an Erdgas- oder Kohlekraftwerken die Emissionen gar nicht auf null gesetzt werden, selbst wenn das gesamte CO2 aus den Rauchgasen der Kraftwerke abgeschieden und dauerhaft gelagert werden könnte, was höchst zweifelhaft ist.

CCS hält keiner Kosten-Nutzen-Rechnung stand

Viel zu hoch sind die zusätzlichen Emissionen aus der Vorkette der Brennstoffbereitstellung, zum Beispiel die Methanemissionen in der Erdgasbranche. Sie können gar nicht mit CCS erfasst werden und landen daher klimaschädlich in der Atmosphäre.

Zudem kann CCS gegenüber erneuerbaren Energien niemals wirtschaftlich rentabel sein. Schon heute, ohne CCS, ist die Stromerzeugung aus Kohle und Erdgas flächendeckend teurer als aus Sonne und Wind.

Wird nun an fossile Kraftwerke auch noch die sehr teure CCS-Technologie angebaut, dann ist diese Stromerzeugung niemals ökonomisch konkurrenzfähig gegenüber einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und Speichern.

CCS als Kohlenstoffsenke zu bezeichnen ist irreführend – zumindest, wenn es sich nicht um Bioenergie mit CO2-Abscheidung und Speicherung (BECCS) handelt. Gebunden werden ja nicht Kohlenstoffmengen, die bereits in der Atmosphäre sind.

Vielmehr wird ein Teil des Kohlenstoffs, der vorher in den Lagerstätten von Kohle, Erdgas und Erdöl sicher im Boden lag, nach dem Verbrennen wieder in den Boden geführt – während ein anderer Teil aus der Vorkette zusätzlich in die Atmosphäre geblasen wird.

Da ist es allemal besser und billiger, den Kohlenstoff gleich im Boden zu lassen und mit erneuerbaren Energien die notwendige Energie bereitzustellen.

Echte Kohlenstoffsenken sind dagegen Aufforstungen. Ein Kostenvergleich zeigt, wie stark diese auch ökonomisch der CCS-Technologie überlegen sind.

Für CCS gibt die Industrie an, dass ein CO2-Preis zwischen 100 und 1.000 Euro pro Tonne notwendig ist, um die Technologie zu einem Geschäftsmodell zu machen. Dabei sind die Kosten für die benötigte CO2-Pipeline-Infrastruktur, um das Gas von der Abscheidung zu den Lagerstätten zu bringen, noch nicht einmal enthalten.

In der Aufforstung können verschiedene private Anbieter dagegen für 20 Cent einen Baum pflanzen. Nach Angaben des Portals CO2-Online baut eine Buche pro Jahr etwa 12,5 Kilogramm CO2 ab. Damit betragen die Kosten für die Speicherung von CO2 in Deutschland geschätzt etwa 16 Euro pro Tonne.

Diese Vermeidungskosten werden durch wissenschaftliche Studien untermauert. Beispielsweise errechnen Studien für unterschiedliche Aufforstungsmethoden in Großbritannien Kosten der CO2-Bindung zwischen minus 67 und 81 Euro pro Tonne.

Mit anderen Worten zeigen einige Studien, dass sich mit der Aufforstung überwiegend positive Effekte ergeben und sogar Renditen erzielt werden können. So wirft sie auch im „Betrieb“, sprich bei Wachstum und Ernte, einen hohen ökonomischen Nutzen mit Früchten und Holzernte ab.

In einer Studie der ETH Zürich hat der Ökologe Jean-François Bastin untersucht, welches Potenzial Aufforstung für die Bindung von CO2 weltweit hat. Zusammen mit seinen Kollegen stellte er kürzlich fest, dass für die Aufforstung prinzipiell 900 Millionen Hektar, ein Gebiet von der Größe Australiens, zur Verfügung stünden.

Daraus errechneten die Forscher ein Speicherpotenzial in herangewachsenen Bäumen von 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das entspricht der Entnahme von etwa 738 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre.

Dabei haben die Forscher noch keine ariden oder semiariden Regionen einbezogen, die natürlicherweise nicht bewaldet sind – aber erhebliche Möglichkeiten zur Aufforstung bieten, wie das Expertennetzwerk Energy Watch Group kürzlich gemeinsam mit der Technischen Universität Lappeenranta (LUT) in Finnland in einer Studie aufgezeigt hat.

Aufforstung kann schnell riesige CO2-Mengen binden

Die Bäume bauen dabei potenziell wesentlich mehr CO2 ab als bei der CCS-Lösung – und sie wandeln dieses CO2 auch noch in einen Wertstoff und in lebenswichtigen Sauerstoff um. Mit CCS dagegen werden auch große Mengen Sauerstoff der Atmosphäre entzogen und gleich mit unter der Erde versenkt.

Überdies fördern Bäume den Feuchtigkeitshaushalt in den betreffenden Gebieten sowie die Biodiversität einschließlich der Insektenfauna. Eine groß angelegte Aufforstung ist am Ende gewinnbringend und kostet praktisch gar nichts, bringt aber Entscheidendes für die Umwelt.

Im Fall der Teilverschattung in Agroforstsystemen, wo Bäume auf den Feldern der Landwirte für einen geringeren Wasserverbrauch, eine bessere Dürreresistenz und höhere Erträge sorgen, lässt sich mit Aufforstung sogar die Lebensmittelversorgung verbessern.

Durch Abwasser-Forstwirtschaft lassen sich Kosten bei der Abwasserentsorgung einsparen und das Schmutzwasser wird vom Wald biologisch gereinigt, ohne dabei das Grundwasser zu verunreinigen. So etwas könnte auch eine gute Lösung für unsere von der Dürre geschädigten Wälder in Brandenburg sein.

Viele Länder mit unzureichender Abwasserreinigung könnten so die Gewässer reinigen, Aufforstung betreiben, Begrünung auf trockenen Flächen schaffen und damit das Klima schützen.

In Ägypten wurden mit dieser Technik schon mehrere hundert Hektar aufgeforstet. Durch das ganzjährige Wachstum und die hohe Nährstoffversorgung ging das sogar besonders schnell. Wo vor dreieinhalb Jahren noch eine Sandwüste war, gibt es heute aufgeforstete Mischwälder.

Das Argument, dass Aufforstung erst nach Jahrzehnten nennenswerte Kohlenstoffmengen bindet, ist mit dem erfolgreichen ägyptischen Projekt entkräftet worden. Es braucht nur noch gute Geschäftsmodelle und Finanzinvestoren, die dann Millionen von Hektar in aller Welt auf diese Weise wieder begrünen. In ein bis zwei Jahrzehnten könnten auf diese Weise immense Kohlenstoffmengen dauerhaft der Atmosphäre entzogen werden.

Intelligente Aufforstungssysteme sind also wesentlich sinnvoller als CCS und schaffen neben echten Kohlenstoffsenken einen hohen zusätzlichen Nutzen. CCS dagegen bringt trotz sündhaft teurer Investitionen und gesteigertem fossilen Brennstoffeinsatz keinen vergleichbaren Nutzen und schon gar keine Senke für atmosphärischen Kohlenstoff.

ein Gastbeitrag von Hans-Josef Fell, Thure Traber und Volker Korrmann

Informationen zu Quellen & Bildrechten

Dieser Artikel ist ursprünglich im Online-Magazin zum Klimawandel Klimareporter° erschienen.

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